Rambo Rambo Rambo
Der Rockmusik ist etwas Essenzielles abhanden gekommen – das Mysterium. Wir dürfen heute dank Social Media unseren Helden auf ihren Tourneen bis in den Backstage-Bereich folgen. Wenn sie neue Songs aufnehmen, können wir via Insta-Stories Mäuschen spielen. Über ihre Diskografie sowie die Nebenprojekte und Vorleben der Bandmitglieder sind wir sowieso bestens informiert. Das Internet vergisst fast nichts. Und dann gibt es Rambo Rambo Rambo. Eine Wiener Band, über die sich mit ein paar Mausklicks zwar rausfinden lässt, dass ihre Mitglieder Martin Hemmer, Sebastian Koch und Andreas Hellweger heißen und daneben auch noch in anderen musikalischen Zusammenhängen bzw. in der Bildenden Kunst und im Theaterbereich aktiv sind. Viel mehr findet sich aber nicht. Es gibt auch nach acht Jahren Bandgeschichte noch kein einziges Interview, in dem das Trio sein Tun erklären wurde, und das dürfte wohl einen Grund haben. Die Musik soll für sich sprechen. Lauschen wir ihr, wird es zunächst freilich erst recht verwirrend. Denn eine USP, wie es in der Verkaufspsychologie heißt, ist nicht auszumachen. Rambo Rambo Rambo haben es im Gegenteil zu ihrem Prinzip erkoren, sich auf keinen Nenner bringen zu lassen. Was nicht heißt, dass sie sich zwischen die Stühle setzen oder lauwarmes Stil-Mischmasch betreiben würden. Das, was sie gerade spielen, fühlen sie zu hundert Prozent. In einem Moment kann das melodieseliger Spät-Sixties-Pop mit mehrstimmigem Gesang sein. Fünf Minuten danach slicker Westküsten-Funk Marke Steely Dan. Und noch ein bisschen später raumfüllende, filmmusikhafte Post-Rock-Klänge. Etwas ganz Leises, Empfindsames. Oder ein Ausflug in Stoner-Rock-Gefilde. Manchmal geht sich sogar mehreres davon in einem Song aus. Bis dato haben Rambo Rambo Rambo drei Veröffentlichungen vorzuweisen. Eine frühe EP aus dem Jahr 2012, auf der sie sich vor allem auf die Sixties einschossen. Auf dem Debütabum „Funfest“ (2015) waren sie plötzlich Andere und rockten los, als gäbe es kein Morgen. Auch das 2016 nachgeschobene Mini-Album „Monte Carlo“ schlug in eine ähnliche Kerbe. Zurecht bezeichnete Robert Rotifer die Band im Vorfeld ihres Auftritts beim Popfest 2016 als Jekylls & Hydes des Pop. Auf „Stories of the Ueberwelt“ zeigen sie nun, dass man sich vor keinem ihrer Gesichter fürchten muss. Unberechenbarkeit und Schönheit reiten darauf Hand in Hand Richtung Sonnenuntergang (oder geht sie gerade auf?). Am Anfang steht ein Verwirrungsmoment. Der Einstieg der Platte klingt, als ob man schon alles versäumt hätte – nämlich wie die epische Musikbegleitung eines Filmabspanns. Wer ist dieser „Antonio Barista“, nach dem das Instrumentalstück benannt ist? Eher kein Hero der Kaffeezubereitung, vermutlich ein Spaghetti-Western-Held. Während man sich noch fragt, wer mit „Montálban“ gemeint sein mag, dem Titel des nächsten Stücks – hat „Stories of the Ueberwelt“ seinen ersten Wow-Moment. Diese ungemein zarte, aber nicht brüchige, mit Streichern unterlegte, aber keineswegs schmalzige Übung in Singer/Songwriter- Pop-Song ist von ergreifender Anmut. Dabei bleibt es nicht. Nach fast jeder Nummer fragt man sich, ob das jetzt die schönste war – und immer wieder legen Rambo Rambo Rambo noch ein bissl was drauf. Erwachsenen-Pop der 70er in Formvollendung („Pneumatocephalus“). Fast schon discoiden Funk mit sehr lässigen Bläsern („The Bill“). Sowie als Gipfelpunkt das Quasi-Titelstück „Ueberwelt“, ein sechsminütiges Schwelgen und Sehnen von überirdischer Schönheit. Ein Song wie dieser muss reifen. Man findet diesen bereits in einer frühe Live-Version und auch auf der Debüt-EP 2012 war er bereits vertreten. Einige Jahre später haben Rambo Rambo Rambo ihn nun zu einem überreichen, reifen Popkunstwerk geformt. Nicht einmal ein schnödes Gitarrensolo kann dieses verhunzen, nein, es setzt ihm noch die Krone auf. Wann hat eine österreichische Band zuletzt mit derart gefinkelten Harmonien geglänzt? Überhaupt: Wie haben die es geschafft, dass das alles so gut klingt? Gewiss sind die drei Multiinstrumentalisten fantastische Musiker, das muss ja nicht unbedingt schaden. Sie wissen weiters, dass ein gelungener Popsong etwas Leichtes und gleichzeitig Hochartifizielles ist. Womöglich lauschen sie manche ihre Songs der „Überwelt“ ab, einem transzendenten Bereich außerhalb der sinnlich erfassbaren Welt. Oder sie sind Zauberer und folgender Satz über die Band aus ihrem Umfeld enthält das ganze Geheimnis: „Sie gurgeln Kurbeln und rollen Erdbeerkraut-Kugeln auf Großmugln.“
(Text: Sebastian Fasthuber // Fotos: © Apollonia Theresa Bitzan)